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LEICHTATHLETIK-WM AKTUELL

Olga Jegorowa wurde im Ziel mit einer Mischung aus Pfiffen, Buhrufen und

Beifall empfangen. Im Vorfeld der WM war die Russin positiv auf das

Blutdopingmittel Epo getestet worden war. Aufgrund eines Fehlers im Labor in

Paris sah sich der Leichtathletik-Weltverband IAAF jedoch gezwungen, die Russin

laufen zu lassen. Nun wurde sie über 5000 m in 15:03,39 Minuten

Weltmeisterin vor der Spanierin Marta Dominguez (15:06,59), die Spurt gegen die

Russin am Ende keine Chance mehr hatte. Irina Mikitenko (Eintracht Frankfurt)

zeigte einmal mehr eine starke Leistung, verpasste aber auch einmal mehr eine

Medaille. Als Fünfte lief sie 15:13,93 Minuten.

Während der ersten 2000 Meter war Irina Mikitenko mehrfach an der

Spitze aufgetaucht. Danach aber ließ sie sich an das Ende der rund

zehnköpfigen Spitzengruppe zurückfallen. Drei Runden vor Schluss kam

sie langsam wieder etwas weiter nach vorne. Doch als die Chinesin Yanmei Dong

an der 4000-m-Marke (12:21,68 Minuten) begann, das zuvor wechselnde Tempo zu

forcieren, verpasste Irina Mikitenko den Anschluss. Sie ging zwar schnell an

der müde wirkenden Titelverteidigerin Gabriela Szabo vorbei, doch zur

fünfköpfigen Spitzengruppe mit Dong, Jelena Zadoroschnaja (Russland),

Jegorowa, Dominguez und der späteren Bronzemedaillengewinnerin Ayelech

Worku (Äthiopien) war der Abstand zu groß. Am Ende überholte

sie nur noch Zadoroschnaja. Vorne hatte Jegorowa 250 Meter vor dem Ziel den

entscheidenden Spurt begonnen. "Immer wenn das Tempo verschärft

wurde, kamen die Schmerzen im Knie wieder", erklärte Irina Mikitenko,

warum sie sich schwer tat, bei 4000 Metern zu beschleunigen. Sie konnte zwar in

den letzten zwei Monaten trainieren, "aber nicht so wie ich wollte."

Das sei so ärgerlich, meinte Mikitenko, "denn ich war davor in

wirklich guter Form und bin auch Bestzeit über 1500 Meter gelaufen".

Nun wird sie in Deutschland nochmals genau das Knie untersuchen lassen.

"Ich bin immer Vierte oder Fünfte - aber dieses Mal ist es kein

Wunder mit dem Knie."

"Ich bin froh, dass ich gewonnen habe - das harte Training hat sich

ausgezahlt", sagte Olga Jegorowa, die aber fast nur Fragen bezüglich

der positiven Epo-Probe beantworten musste: "Das konnte nur ein Fehler

sein. Ich fühle mich nicht schuldig. Man kann einem nicht etwas vorwerfen,

was man nicht gemacht hat." Deutliche Worte musste sie sich jedoch von der

auf Rang acht einlaufenden Gabriela Szabo gefallen lassen: "Jegorowa ist

für mich hier nicht die Weltmeisterin, das ist Marta Dominguez."

"Ich verstehe nicht, wie das geht, dass sie hier starten kann. Das ist

doch eine WM und keine Kreismeisterschaft", sagte Irina Mikitenko.

"Dass Jegorowa laufen durfte, ist ein ganz schlechtes Beispiel für

die Jugend." Mikitenko, die aus Kasachstan nach Deutschland kam und seit

1998 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, meinte zudem auch noch:

"Ich glaube, der russische Verband macht überhaupt keine

Dopingkontrollen." Mindestens alle zwei bis drei Monate, meinte Olga

Jegorowa jedoch, sei sie innerhalb des letzten Jahres im Training kontrolliert

worden. Was das für Kontrollen waren, wurde jedoch nicht gesagt.

Noch schärfer als Irina Mikitenko hatten zwei andere Athletinnen

protestiert. Als am Donnerstag Abend die Vorläufe stattfanden, rollte die

britische Cross-Weltmeisterin Paula Radcliffe mit ihrer Teamgefährtin, der

1500-m-Läuferin Hayley Tullett, auf der Tribüne ein Plakat aus:

"Epo Cheats Out" - Epo-Betrüger raus. Der Schriftzug galt

natürlich Olga Jegorowa, deren Urin bei der A-Probe positiv auf Epo

untersucht worden war. Doch die Mitarbeiter des Labors in Paris hatten einen

schwerwiegenden Fehler gemacht. Die Wissenschaftler hatten auf die

vorgeschriebene Untersuchung des Blutes verzichtet und nur den Urin analysiert.

Somit sah die IAAF keine rechtliche Grundlage mehr für eine Sperre. Bei

einer erneuten Kontrolle Jegorowas in Edmonton hatte es ein negatives Ergebnis

gegeben.

Gabriela Szabos Manager Jos Hermens glaubt, dass Olga Jegorowa auch im

Finale von früheren Epo-Spritzen profitiert hat, obwohl ein in Edmonton

vorgenommener keine Auffälligkeit mehr gezeigt hatte. "Das wirkt

noch", meinte Hermens und fügte hinzu: "Aber Jegorowa muss jetzt

bei den Meetings in Zürich, Brüssel und Berlin sowie bei den Goodwill

Games getestet werden." Der Holländer fordert drastische

Maßnahmen: "Ohne vorherige Wettkämpfe sollte ein Athlet

zukünftig bei der WM nicht mehr starten dürfen. Bei diesen

Wettkämpfen muss es dann entsprechende Dopingproben geben. Aber sicher

kann man nur sein, wenn alle Athleten alle zwei Wochen getestet werden."

Das sind zurzeit aber leider nur Zukunftsträume.