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Die Blamage der deutschen Leichtathletik (-Trainer)

Nicht weniger als 75 Nationen nahmen an den 32. IAAF Cross Weltmeisterschaften

am 20./21. März 2004 in Brüssel teil. Die Cross Weltmeisterschaften

sind die am längsten von der IAAF durchgeführten Weltmeisterschaften,

seit 1973 kommen sie zur Durchführung. Belgien hat eine lange und

erfolgreiche Tradition im Cross-Country-Lauf. Erik de Beck wurde schon 1974

Weltmeister, wie auch Leon Schots 1977, aber auch Emile Puttemans und Gaston

Roelants (beide BEL) haben die Basis ihrer Erfolge im Crosslauf erarbeitet.

"5" />Die überragenden Siege von Kenenisa Bekele (ETH) von 2002 –

2004 jeweils auf der kurzen als auch der langen Crossdistanz, die Ablösung

von Kenia und ihrer immerwährenden Dominanz WM-Siege seit 1986 in den

Mannschaftswertungen durch Äthiopien, sowie der Überraschungssieg der

australischen Läuferin Benita Johnson auf der Langstrecke der Frauen sind

allgemein bekannt und zeigen, daß sich vieles in der internationalen

Laufszene verändert und keiner den Erfolg für immer gepachtet hat.

Die Erkenntnis ist, daß die afrikanischen Läufer auch nicht

unschlagbar sind, die großen Laufnationen England, Portugal, Frankreich,

Spanien und auch Gastgeber Belgien tauchten in den Mannschaftswertungen

allerhöchstens im Mittelfeld auf – aber sie traten wenigstens mit

Mannschaften an – und dann meistens mit jungen Läufern und

Läuferinnen.

Deutschland, der große Deutsche Leichtathletik-Verband, trat mit einer

einzigen Läuferin in seinem Nachbarland an. Susanne Ritter wurde

achtungsvolle 23 (von 96 Teilnehmerinnen im Ziel) – ihr Lauf war aller

Achtung wert, sie kämpfte und verbesserte sich Runde um Runde und zeigte

Entschlossenheit, Mut und kämpferischen Einsatzwillen. Der war auch

notwendig, denn das Wetter war kalt, windig und manchmal fegten Regenböen

über den Laufparcours mit teilweisen matschigen Laufpassagen.

Für Besucher aus Deutschland war es gegenüber IAAF-Offiziellen,

Medienvertretern und ausländischen Funktionären und Freunden ungemein

peinlich die Abstinenz deutscher Läufer und Läuferinnen – mit

Ausnahme von Susanne Ritter - an der Cross WM verständlich zu vermitteln

oder zu erklären. Eigentlich war gar nicht zu erklären, außer

bedeutungsvoll an den Kopf zu fassen. Im Konzert der großen

Leichtathletik-Nationen hat sich Deutschland inzwischen nach hinten abgesetzt

und hat im Laufbereich – was insbesondere die großen deutschen

Laufveranstalter beklagen – keinen Läufer, der sich annähernd

mit der Übermacht der Siegertypen aus dem Ausland messen kann.

Insofern ist die Perspektivlosigkeit auch der Planung des deutschen

Verbandes und der Mutlosigkeit der deutschen Bundestrainer – Bereich Lauf

– eine grenzenlose Blamage für eine ehemals erfolgreiche Nation.

Eine Woche vor den der Cross-WM werden die Deutschen Halbmarathon

Meisterschaften ausgetragen – war eine andere Terminierung nicht planbar

–oder hat man das vergessen - Bei der Cross-WM gibt es je einen

Wettbewerb für Junioren und Juniorinnen. Gibt eine 80-Millionen

Bevölkerung keinen Nachwuchs-Teams für Läufer her ?

Die USA kamen mit einer kompletten Besetzung von 6 Mannschaften –

insgesamt über 40 Teilnehmer über den großen Teich – sie

fliegen über 3.000 Kilometer, investieren eine mehrfache sechsstellige

Summe Dollarsumme in ihr Team – dem DLV sind die 100 Kilometer von der

Grenze zu weit, die man bequem auch mit dem Fahrrad zurücklegen

könnte. “Die Teilnahme an einer WM ist eine wichtige Investition in

die Zukunft, die Erfahrung die jeder junge Läufer sammelt, egal wo er im

Feld landet, zahlt sich später mehrfach aus“ – so die

Einschätzung eines USA Offiziellen.


So formt man den Läufernachwuchs: Das USA Team nach der Teilnahme an der

Cross-WM in Brüssel im Zielbereich Foto: Victah Sailer

Vollzählige Mannschaften wurden von mehreren Ländern gestellt

– viele davon landeten auch nicht im Vorderfeld. Die den deutschen

Offiziellen eigene Medaillen- und Platzierungszählerei, wer nicht unter

den ersten sechs oder zehn ist, darf erst gar nicht antreten, wird hier zum

Rohrkrepierer der künftigen Entwicklung. In derartigen Massen Feldern von

hochklassigen Läufern wird Härte und Durchsetzungswille gefordert,

das lernt man nicht auf dem Laufband, in der Halle oder im Trainingslager auf

Lanzarote oder Mallorca, sondern beim harten “Knüppeln“ im

Gelände – bei jeder Witterung. Die Australier fliegen auch nach

Belgien, obwohl es zu Hause mit Sicherheit nicht stürmt und wettert

– aber sie bringen einen Sieg mit nach Hause. Ihre Mannschaften sind

altersmäßig gemischt. Der alte Haudegen Steve Moneghetti, Jg. 1962,

(BERLIN-MARATHON Sieger 1990) läuft in einem Team in dem einige

Läufer 20 Jahre jünger sind als er, und die Jüngeren lernen sich

mit ihm zu quälen und bis ins Ziel zu knautschen.

Wer nichts wagt, der nichts gewinnt. Die deutsche Laufmisere ist leider

allzu bekannt. Aber die Trainer “schonen ihre Schützlinge zu

Tode“, alle bereiten sich wohl auf die OS Athen 2004 vor – und

vergessen dabei das Naheliegenste, nämlich zunächst die

Auseinandersetzung mit den künftigen Gegnern auf der Bahn oder der

Straße zu suchen – auch auf die Gefahr hin, daß man hinterher

läuft. Deutschland bewirbt sich um Leichtathletik Weltmeisterschaften auf

der Bahn und anderen hochkarätigen Sportfesten bei der IAAF, da ist es

sicherlich konterkarierend nicht das eigene sportliche Potential bei anderen

Gelegenheiten in der Welt darzustellen. Wilfried Raatz, der einsame Rufer

für die Pflege des Crosslaufes aus Darmstadt, beklagt seit Jahren das

Desinteresse des DLV am Crosslauf – und die Chancen die durch das

Negieren dieser “Basis-Ausrüstung“ für die Entwicklung

des Laufens eines Athleten verloren gehen. Es war keine Schwarzseherei von ihm,

die negative Entwicklung im Laufbereich innerhalb des DLV hat ihm bisher recht

gegeben.

Detlef Uhlemann, selbst Drittplazierter bei einer Cross-WM 1977 und jetzt

Beauftragter des DLV für Crosslauf wird es schwer haben die

Reißleine in dieser bisher auswegslosen Situation zu ziehen, damit ein

Umdenken in Deutschland erreicht werden kann.

Paula Radcliffe (GBR) war zweifache Weltmeisterin im Crosslaufen und Paul

Tergat (KEN) war fünffacher Weltmeister im Crosslaufen – beide sind

jetzt die amtierenden Weltrekordler im Marathon – eigentlich genügt

das doch schon als eine Begründung für die Förderung des

Crosslaufs um zukünftige Läufer und Läuferinnen zu formen. Am

12. Dezember 2004 ist Deutschland pikanterweiser Gastgeber der

Europameisterschaften im Crosslauf in Usedom/Heringsdorf. Sarkastisch

könnte man im vorhinein schon formulieren, wir erhöhen drastisch

für Usedom auf zwei (2) deutsche Teilnehmer – oder die andere

Alternative der Argumentation der deutschen Trainerschaft des DLV wäre

“wir bereiten uns in Ruhe auf die Olympische Spiele in Peking 2008 vor,

da paßt dieser Termin nicht in unser langfristiges

Trainingskonzept“.

Horst Milde

PS: Zur Erläuterung – der Verfasser initiierte am 8. November

1964 den 1 . Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg, der am 9. November

2003 sein 40-jähriges Jubiläum feierte.

Er beantragte am 24. Januar 1973 beim DLV die Einführung der Deutschen

Cross-Country-Meisterschaften (und Abschaffung der Waldlaufmeisterschaften) und

führte am 1. März 1975 die 2. Deutschen Crossmeisterschaften mit dem

SCC und am 28. Februar 1981 am Teufelsberg die 8. Deutschen

Crossmeisterschaften für den DLV durch.