Newsarchiv

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ATHEN 2004 – Resümee - Olympia historisch und die Favoriten

In einer jeweils elf-teiligen Serie haben wir ins im Vorfeld der XXVIII.

Olympischen Spiele in Athen mit den Favoriten der Läufe ab 800 m

aufwärts bei Männern und Frauen befaßt – sowie auch die

vergangenen 104 Jahre seit 1896 in Athen Revue passieren lassen mit der

Beteiligung und den Erfolgen der deutschen Teilnehmer.

Wie Favoriten zum Häufchen Elend werden können

– zeigte der Marathonlauf der Frauen mit Paula Radcliffe. Olympia ist

anders – wieder setzte auch hier der Marathonlauf der Männer in

jetzt 108 Jahren seinen vielen Legenden und Histörchen eine weitere

Fortsetzung hinzu, allerdings für Vanderlei da Lima aus Brasilien, dem

führenden Läufer im Marathon bis Kilometer 37, mit fatalem

Ausgang.

Geistig verwirrter 57jährige Cornelius Horan

Der geistig verwirrte 57jährige Cornelius Horan, ehemaliger katholischer

Priester aus Irland, ein Wiederholungstäter, drängte den

führenden Läufer von der Strecke an den Straßenrand. Horan

wurde danach zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 3000 Euro

Geldstrafe verurteilt. Nur das bringt dem späteren Bronzemedaillengewinner

Lima nicht die Goldmedaille, die er vielleicht hätte gewinnen können,

zurück.

Wenn in unserer historischen Olympia-Serie die Erfolge nebst Platzierungen

der deutschen Teilnehmer seit 1896 aufgelistet wurden, so kann jetzt in der

Fortsetzung und im Resümee von ATHEN nicht allzuviel darüber

Positives geschrieben werden, denn das Resultat war mehr als deprimierend

für die deutschen Läuferinnen und Läufer, selbst wenn man im

Vorfeld schon relativ pessimistisch war.

Hier alle Laufwettbewerbe der deutschen Teilnehmer bei Frauen und

Männern ab 800 m aufwärts, entsprechend der Serie:

Frauen:

800 m: Claudia Gesell – 4. im Vorlauf mit 2:03,87 ausgeschieden

1500m: Keine deutsche Teilnehmerin am Start

5000 m: Finale: 7. Irena Mikitenko - 15:03,36

10.000 m: Finale: 15. Sabrina Mockenhaupt - 32:00,85

Marathon: 18. Luminita Zaituc 2:36:45

Ulrike Maisch aufgegeben

Männer:

800 m: René Herms – 8. im Halbfinale 1:47,68

1500 m: Wolfram Müller - im Vorlauf mit 3:46;75 ausgeschieden

5000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start

10.000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start

Marathon: Kein deutscher Teilnehmer am Start

3000 m Hindernis: Kein deutscher Teilnehmer am Start

79 deutsche Leichtathleten wurden nominiert, 71 davon sind gestartet im

452-köpfigen deutschen Olympiaaufgebot. 2 Silbermedaillen gab es im

Kugelstoßen durch Nadine Kleinert und im Speerwerfen durch Steffi Nerius

– das war’s dann auch schon.

Das schlechteste Ergebnis seit Stockholm 1912 (auch 2 Silbermedaillen durch

Hans Liesche im Hochsprung und Hanns Braun über 400 m). Die schwedischen

Leichathleten reisten mit 12 Athleten an und gewannen drei Goldmedaillen.

Deutschland liegt zusammen mit Südafrika auf dem 24. Platz der

Medaillenränge hinter Rumänien.

Die Gesamtrechnung muß man allerdings auch relativieren, das

berühmte Mutterland des Sports Großbritannien holte auch nur 4

Medaillen, davon aber 3 Goldmedaillen, Frankreich ging ganz leer aus.

Aber wenn die deutschen Erbsenzähler tradtionell auch die Plätze bis

zehn zuzählen, wird die deutsche Bilanz leider auch nicht viel

besser.

Unsägliche Fernsehauftritte

Wenn dann die deutschen Athleten in ihren unsäglichen Fernsehauftritten

eine Minute nach dem Zieldurchlauf mit den blödsinnigen Interviewfragen

der Reporter sich auch noch verbal zusätzlich mit peinlichen

Formulierungen gänzlich blamierten, dann fragt man sich schon, weswegen

sie nach ATHEN fahren durften.

Die Läufer und Läuferinnen des DLV „glänzten“

durch den 7. Platz von Irena Mikitenko im 5000 m Lauf.

Wer die Erfolgsgeschichte der deutschen Läufer der letzten 104 Jahre der

„Olympia-Erinnerungsserie“ noch im Kopfe hat, dem treibt’s

die Tränen in die Augen – oder man sieht ATHEN als eine negative

Ausnahme an nach der Devise „andere sollen auch mal

gewinnen“.

Aber diese Einstellung kann sich bitter rächen, wenn man an einer

Weiterentwicklung des Spitzen- und Leitungssports Leichtathletik in Deutschland

interessiert ist.

„Schlimmer geht’s immer“ titelte die

Frankfurter Rundschau über das Ergebnis der deutschen Leichtathleten

insgesamt. DLV Vizepräsident Rüdiger Nickel hat schon seinen Hut

genommen, das ist sicherlich nobel, das macht aber die Athleten nicht besser

und schneller und entschuldigt auch nicht das schlechte Abschneiden und die

teilweise seltsame Einstellung der Aktiven zum eigentlichen Höhepunkt

ihrer sportlichen Laufbahn.

"5" />„Dabei sein“ ist nicht mehr alles, das war

früher – „vorne dabei“ sein heißt heute die

Devise.

Die Amerikaner hatten auch jahrzehntelang seit 1984 in Atlanta (Benoit) keine

Medaille mehr im Marathon – obwohl die USA die Hochburg der Jogger und

der großen Laufevents sind, jetzt haben die plötzlich 2

Aushängeschilder und läuferische Vorbilder im Marathon.

Deena Kastor (Bild re.) holte sich die Bronzemedaille bei den Frauen –

und wie es der Zufall will, am Sonnabend vor dem Männermarathon traf ich

im Olympiastadion Dave Martin, aus dessen Buch der „Olympischen

Marathonläufe“ in der Olympia-Erinnerungsserie viel zitiert wurde.

Der sagte mir dann: „Noch ein Kilometer weiter und Kastor hätte

gewonnen und morgen wird wieder ein Amerikaner auf dem Podium stehen“.

Auf meine ungläubige Frage: „Na, wer denn?“ erklärte er

mir dann, wie die US-Marathonläufer auf die Hitze in ATHEN eingestellt

wurden und daß man mit ihnen das richtige Trinken regelrecht

„eingepaukt“ hatte.

Dr. Dave Martin sollte recht behalten. Bis zum Halbmarathon war auf der

großen Anzeigetafel im historischen Olympiastadion kein Amerikaner zu

sehen, doch plötzlich schob sich danach einer mit dem unaussprechlichen

Namen Mebrahtom Keflezighi nach vorne.

Auch der Weltrekordler vom real,- BERLIN-MARATHON Paul Tergat lag bis km 30 als

Vierter in der Spitzengruppe noch gut im Rennen.

Doch von Insidern erfuhr man später über den Favoriten Tergat,

daß er bei km 25 sein eigenes Getränk verpaßte, irgendetwas

anderes getrunken hatte, danach bekam er Magenkrämpfe und fiel

zurück. Die letzten 5 km lief er in 16.02, - von 30 zu 35 km aber die 5

Kilometer in 14.47, die letzten 2,195 km in 8.06 min.

Der einzige Kommentar von Paul Tergat zum Rennen: „Sehr, sehr

hart“!

Lima feierte Bronze wie Gold

Von 101 Marathonläufern kamen 81 ins Ziel, viele mit Tränen in den

Augen, denn das ehrwürdige Panathinaikon-Stadion von 1896, sowie der Lauf

auf der historischen Strecke hat viele der Teilnehmer emotional stark

beeindruckt. Die Siegerzeit von Stefano Baldini (ITA) von 2:10:55 auf der

schwierigen, hügeligen, schattenlosen und endlos geraden Strecke ist eine

Leistung sondergleichen.

Lima feierte dann seine Bronzemedaille wie Gold und auch das Publikum im

Stadion applaudierte ihm stärker als den Sieger.

Keine Vorbilder mehr in Deutschland

Lima erhielt zusätzlich die Pierre-de-Coubertin Fair-play Medaille

für sein sportliches faires Verhalten überreicht. Der vorausgesagte

Podiumsplatz des US Amerikaners Kegflezighi in 2:11:29 bringt die Laufwelt in

den Vereinigten Staaten wieder auf einen geraden Kurs der Weiterentwicklung im

Langstreckenbereich, was man sich für Deutschland auch gewünscht

hätte – aber wenn keiner für Deutschland läuft, kann es in

Zukunft auch keine Vorbilder gegen!

Hoher Stellenwert des Marathon

Die Siegerehrung der Marathonläufer bei der großen

Abschlußfeier im Olympiastadion durch den IOC Präsidenten Jacques

Rogge und IAAF Präsident Lamine Diack zeigt den hohen und symbolischen

Stellenwert des Marathon, den dieser in der Welt des Sports einnimmt.

Allan Steinfeld vom New York Marathon hatte schon das richtige

„Händchen“ als er Deena Kastor, die Bronzemedaillengewinnerin

im Marathon als das große Laufvorbild für die USA schon vor ihrem

Triumph in ATHEN auf die Titelseite seines Laufmagazins setzte. Neben dem New

York Marathon, waren auch Chicago, London und Berlin in ATHEN vertreten, um so

direkt bei den Enttäuschungen auf der einen Seite, wie auch den

begeisternden Leistungen der Läufer und Läuferinnen vor Ort dabei zu

sein.

Dankeschön an die Volunteers

„Unvergeßliche, traumhafte Spiele“ waren die Worte des IOC

Präsidenten Rogge zum Abschluß. Damit gingen in ATHEN zu

Füßen der Akropolis die Spiele zu Ende - da meinte er einerseits die

sportlichen Leistungen der Teilnehmer, über deren Wertigkeit „Otto

Normalverbraucher“ immer mehr Zweifel anmeldet – aber sicherlich

setzte Rogge mit seinen Worten auch den vielen ungenannten Volunteers ein

bescheidenes verbales Dankeschön. Die Helfer der Spiele waren das Herz der

gigantischen Sportmaschinerie, sie erst brachten mit ihrer Freundlichkeit und

Zuvorkommenheit allen internationalen Besuchern und Gästen gegenüber

das menschliche Antlitz des Sports an antiker Stätte zum

Leuchten.

Peking 2008

Der Blick geht nach Peking 2008 und wie sich schon durch 110 m Hürdensieg

von Liu Xiang (CHN) und Xing Huina (CHN) im 10.000 m Lauf der Frauen leise

ankündigte, wird es zukünftig nicht nur für die deutschen

Leichtathleten immer schwerer überhaupt noch vorne mitzuhalten, sondern

die traditionellen Leichathletiknationen werden dort in Peking wohl aus dem

Staunen nicht mehr herauskommen, wie sich nicht nur Afrika, sondern auch Asien

die Medaillen zukünftig untereinander teilen werden.

Nur noch Plazierungen in Zukunft

Die deutschen Leichathleten, wie auch insbesondere die Medien und die

Sportöffentlichkeit werden sich in der Zukunft wohl daran gewöhnen

müssen, mehr sich über Platzierungen zu freuen, als Medaillen zu

zählen.

Horst Milde

Die Serie über die olympischen Favoriten ist im Archiv ab Juli-August

in unserer Olympia Berichterstattung nachzulesen - ob der Tipp dann aufging -

oder platzte, können Sie jeweils in der chronologischen Abfolge auch im

Archiv dann nachverfolgen.

Wer sich über die Erfolge und Platzierungen der deutschen Läufer

und Läuferinnen der Vergangenheit erfreuen will, der kann 104 Jahre

olympische Geschichte hier nachlesen.

800 m der Frauen (Olympia historisch I):

www.berlin-marathon.com/news/show/002083

1500 m der Männer ( Olympia historisch II:)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002108

800 m der Männer (Olympia historischIII):

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002126

1500 m der Frauen (Olympia historischIV):

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002143

5000 m der Frauen (Olympia historisch V)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002169

5000 m der Männer (Olympia historisch VI)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002199

10.000 m der Frauen (Olympia historisch VII)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002215

10.000 m der Männer (Olympia historisch VIII)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002237

3000 m Hindernis der Männer (Olympia historisch IX)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002267

Marathon der Frauen (Olympia historisch X)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002285

Marathon der Männer (Olympia historisch XI)

www.real-berlin-marathon.com/news/show/002314