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Luminita Zaituc läuft von Krämpfen geplagt zum Sieg und zur Olympianorm

“Das ist ein guter Tag für den Frankfurter Sport“,

resümierte Sportbürgermeister Achim Vandreike als Veranstalter des

Eurocity Marathon Messe Frankfurt. “Auf eine Siegerzeit von unter 2:10

Stunden mussten wir lange warten. Und diese Marke ist heute gleich zweimal

unterboten worden!“ Dieses Lob ging natürlich in erster Linie an die

Adresse von Boaz Kimaiyo, der bei deutlich besseren Bedingungen als in den

vergangenen Jahren die Chance nutzte, als erster Läufer in der

22jährigen Geschichte des Frankfurter Stadtmarathons unter der begehrten

2:10 Stunden-Grenze am Main zu bleiben. Allerdings hatte der 28 Jahre alte

Kenianer bis zur Ziellinie in der Frankfurter Festhalle um seinen Sieg

letztlich bangen müssen, da der Russe Leonid Shvetsov ihm bis auf

fünf Sekunden nahe kam. Mit 32.500 Euro wurde der neue Streckenrekordler

für seine Energieleistung ordentlich belohnt, für den mächtig

aufkommenden Russen gab es noch 22.500 Euro. Eine derart bange Schlussphase

musste hingegen Luminita Zaituc nicht durchlaufen, denn nach der

verletzungsbedingten Absage der Vorjahressiegerin Maria Abel und der als stark

eingeschätzten Inga Juodeskiene gab es für die Braunschweigerin keine

äquivalente Konkurrenz. Die Europameisterschaftszweite hatte zwar auch in

der Schlussphase mit Muskelkrämpfen ihre Probleme, wiederholte aber

dennoch mit der deutschen Jahresbestzeit von 2:29:41 Stunden ihren Sieg aus dem

Jahr 2001, als sie mit dem gültigen Streckenrekord von 2:26:01 Stunden ein

aufsehenserregendes Rennen ablieferte und deutsche Meisterin wurde. Noch dazu

blieb sie jetzt in Frankfurt auf Anhieb unter der vom Deutschen

Leichtathletik-Verband festgesetzten Olympianorm von 2:30 Stunden.

Zaituc: Gutes Ende nach “schwieriger“

Saison!

“Jetzt wird alles gut“, sagte eine sichtlich entspannte Luminita

Zaituc im Athletenhotel Maritim an der Messe. “Ich bin froh, dass alles

vorbei ist. Das war doch eine schwierige Saison!“ Nach ihrem vorzeitigen

Ausstieg beim Hamburg Marathon im Frühjahr musste die 35jährige

gebürtige Rumänin drei Monate pausieren, da sie sich einen

Ermüdungsbruch eines Wirbelkörpers zugezogen hatte. Die Absage des

WM-Marathons in Paris die zwangsläufige Folge. Ihr Comeback feierte

Luminita Zaituc im September mit einem überzeugenden Sieg bei den

deutschen 10 km-Straßenlauf-Meisterschaften in Troisdorf, ehe sie wegen

Ischiasbeschwerden bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Vilamoura erneut

aussteigen mußte. “Ich bin zuversichtlich“, sagte sie noch

vor dem Rennen, “dass es ein gutes Rennen geben wird. Und vielleicht ein

neuer Streckenrekord!“ Doch daraus wurde nichts, wenn gleich sie lange

Zeit auf diesem Kurs lag. Bei Halbzeit wurde für sie im Verbund mit ihren

Tempomachern Dick van den Broek und James Tanui eine 1:13:08 notiert. Wie schon

im Vorjahr krampfte ihre Muskulatur abermals, doch diese Probleme hatte sie

diesmal besser im Griff und schaffte zumindest zwei ihrer drei angepeilten

Ziele, den Sieg und die Olympianorm. “Jetzt werde ich nach Rumänien

gehen und mich ausreichend erholen. Die Fehler des vergangenen Jahres werde ich

nicht noch einmal machen!“

Sie ist jedoch die einzige Deutsche, die in Frankfurt eine gute Figur

machte. Die hoffnungsvolle Juniorin Nicole Güldemeister musste trotz

Schrittmacherdienste von Jirka Arndt als Sechste in 2:50:54 leidvolle

Erfahrungen beim Debüt machen. Unmittelbar vor ihr platziert die im

Frühjahr schon als DM-Dritte aufgefallene 42jährige Ulrike Hoeltz mit

2:49:15.

Hoffnungen für Sebastian Bürklein erfüllten sich nicht Das

leidvolle Auftreten der deutschen Männer fand in Frankfurt eine traurige

Fortsetzung. Der mit großen Hoffnungen gestartete Sebastian Bürklein

kam zwei Tage nach seinem dreißigsten Geburtstag nach gutem Beginn unter

Mithilfe seines Wattenscheider Teamkollegen Alexander Lubina nach 25 km ins

Trudeln und war schon nahe an der Aufgabe. “Als ich auf einem

Klohäuschen eine Minute verloren hatte, war für mich das Rennen

praktisch schon abgeschlossen. Aber aufgeben wollte ich doch nicht!“ Der

Wattenscheider war vor zwei Wochen für seinen Clubkollegen Carsten

Schütz am Essener Baldeneysee ein idealer Tempomacher auf dessen Weg zur

deutschen Jahresbestzeit von 2:14:56 Stunden. “Ich habe mich in Essen

derart gut gefühlt, dass ich auch hätte gut durchlaufen können.

Ich habe schon darüber nachgedacht, aber das wäre Carsten

gegenüber nicht fair gewesen. Klar, ich muss mir den Vorwurf machen,

vielleicht eine Chance verpasst zu haben, aber....“. Als Vierzehnter lief

er nach 2:18:04 ins Ziel, als Einundzwanzigster durfte sich hingegen der

24jährige Leipziger Volker Fritzsch über 2:22:08 freuen, womit er

zugleich schnellster unter 500 Polizisten war, die im Rahmen des

Frankfurt-Marathons ihre Meisterschaften austrugen.

An der Spitze des Teilnehmerfeldes hingegen erfüllten sich die

Hoffnungen der Frankfurter Organisatoren, endlich eine Endzeit unter der 2:10

Stunden-Marke zu erreichen, auch wenn die Tempomacher nur zu 80 Prozent ihren

Job gemacht haben, so die Organisatoren. Während die zunächst

angekündigten Simeretu Alemayehu und Simon Bor fehlten, Vorjahressieger

Eluid Kering und der als Favorit gehandelte Julius Rutto nicht die Form

für ein großes Rennen hatten und zu allem Unglück der als

Geheimtip gehandelte Dmitri Kapitonov schon nach drei Kilometern gestürzt

war, konzentrierte sich das Rennen nach dem (zu) frühen Ausstieg der sechs

Tempomacher auf das Duell der Kenia-Läufer. “Das war ein gnadenloses

Ausscheidungsrennen“, fand Manager Walter Abmayr später.

“Angesichts des doch empfindlichen Windes war das Renntempo in Richtung

2:08:40 zu schnell!“

Nach 30 km übernahm mehr und mehr Boaz Kimaiyo das Renngeschehen,

gefolgt von Benjamin Itok, Paul Kiptanui, Julius Sugut und Eluid Kering, auf

Rang sechs mit Leonid Shvetsov der erste weiße Läufer. Je mehr die

Kenianer auf der Mainzer Landstraße ihrem forschen Stil Tribut zollen

mussten, desto stärker rückte hingegen der Russe ins Blickfeld. Auch

er mit Magenproblemen “in den Büschen“, schien jedoch

beflügelt von seinem Boxenstopp und wurde zusehends zum einzigen

ernsthaften Rivalen für Kimaiyo, dem 28jährige aus dem

Läuferzentrum Kapsait im Rift Valley. Dort trainiert er übrigens

unter der Leitung seines namhaften Bruders Eric Kimaiyo zusammen mit einer

leistungsstarken Gruppe, zu der übrigens auch der in Berlin als

“Edelhase“ des Weltrekordlers Paul Tergat nur um eine Sekunde

geschlagene Sammy Korir zählt. “In der Endphase wurde ich sehr

müde, konnte aber wieder das Tempo anziehen, als mir signalisiert wurde,

dass ich einen Verfolger dicht hinter mir hatte“, kommentierte der

Kenianer, der auf eine Bestzeit von 2:08:46, die er im Vorjahr in Amsterdam

gelaufen war, verweisen kann. Während für Luminita Zaituc ein Start

bei den Olympischen Spielen in Athen ein Thema ist, darf sich Kimaiyo

allenfalls auf eine verbesserte Offerte bei einem großen

Frühjahrsmarathon freuen. “Dort kann ich meine Bestzeit

bestätigen. Alles andere wäre unrealistisch, bei uns gibt es so viele

starke Läufer!“

Olympiaticket auch für Leonid Shvetsov

Mit 2:09:33 folgte Shvetsov nur fünf Sekunden hinter dem Sieger in die

stimmungsvoll gestaltete “Gud Stubb“, der Frankfurter Festhalle,

die erstmals als attraktive Ziellinie zur Verfügung stand anstelle des

äußerst windanfälligen Zielbereiches im Schatten des

Messe-Towers. Der bereits 35jährige Russe verpasste dabei seinen eigenen

Landesrekord um lediglich 17 Sekunden und ist nach Aussagen seines Managers

Czeslaw Zapala erster Anwärter auf ein Olympiaticket. Ein hoffnungsvolles

Debüt startete mit dem Ukrainer Dmitrij Baranowski der frühere U

23-Europameister über 5000 m mit 2:12:47 Stunden.

Erfüllten sich mit dem neuen Streckenrekord von Boaz Kimaiyo und dem

Sieg von Luminita Zaituc bei einem geglückten Einbezug der Frankfurter

Festhalle in den Ablauf des traditionsreichen Stadtmarathons am Main so

ziemlich alle Wünsche des Organisators Jo Schindler, musste Frankfurt

hinsichtlich der Teilnehmerzahlen eine merkliche Einbuße hinnehmen.

Anstelle der im Vorjahr registrierten 10.247 Anmeldungen gab es heuer lediglich

9.399, ins Ziel liefen gar nur 7.063 ein. Damit rutschte der Herbstklassiker

Frankfurt hinter Berlin, Hamburg, Köln und München auf die

fünfte Stelle ab.

Wilfried Raatz