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Laufen schärft den Geist!

Was denn nun noch, werden sich die Leser und Leserinnen fragen. Es gehört

wohl zum anerkannten Gemeingut, dass regelmäßiges Laufen, dass

kontinuierlicher Sport der Gesundheit und dem körperlichen Wohlbefinden

dient. Soll nun auch Bewegung durch Laufen die geistige Entwicklung

fördern ?

Mit großem Interesse vernahmen Anfang März 2001 die an einem

Symposium zum Thema "Kinder brauchen Bewegung" im Krankenhaus

Berlin-Neukölln teilnehmenden Kinderärzte, Wissenschaftler,

Physiotherapeuten und Sportärzte aus dem Mund von Prof. Dr. Dr. h.c.

Wildor Hollmann neueste Informationen über den Zusammenhang von geistiger

Entwicklung von Kindern und dem Umfang ihrer körperlichen

Aktivitäten. Dieser international renommierte Kardiologe und

Sportmediziner aus Köln, Ehrenpräsident des Weltverbandes für

Sportmedizin, legte aktuelle Ergebnisse seiner Forschungen auf den Tisch. Er

wies nach, dass bereits im frühen Kindesalter Milliarden von Nervenzellen

im menschlichen Gehirn absterben, wenn sie nicht miteinander in Verbindung

stehen bzw. miteinander in Verbindung gebracht werden. Sein Forschungsteam

stellte anhand von exakten Messungen fest, dass die Herstellung dieser

Verbindungselemente (sog. Synapsen) zwischen den Nervenzellen und damit deren

Aktivierung und Nutzung durch den Menschen vor allem mittels umfangreicher

körperlicher Aktivitäten des Kindes erfolgt. Das Ausleben des

intensiven kindlichen Bewegungsdranges dient also auch der

Vergrößerung der dem Menschen zur Verfügung stehenden Substanz

an Nerven/Gehirnzellen! Insofern konnte Prof. Hollmann die bisherigen

Erkenntnisse um einen neuen und weitreichenden Aspekt erweitern. Und insofern

haben wir die Überschrift wohl doch nicht so weit hergeholt.

Warum brauchen Kinder Schulsport?

Regelmäßige und ausreichende körperliche Betätigung

wird in unserer modernen Welt immer mehr zu einem MUSS für Kinder. Die

bereits genannte geistige Entwicklung des Menschen im Verlaufe seines Lebens,

deren Grundlagen im Kindesalter gelegt werden, aber gleichermaßen auch

sein körperlicher und gesundheitlicher Zustand hängen

maßgeblich von lebenslanger sportlicher Betätigung ab.

Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in der Internationalen

Konvention über die Rechte des Kindes festgeschrieben wurde, "dass

jedes Kind das Recht hat

- auf die bestmögliche Gesundheit,

- auf kostenlose und staatlich garantierte Ausbildung im kognitiven und

körperlichen Bereich,

- auf Freizeit und Erholung."

Bundespräsident Rau übersetzte auf dem Festakt zum 50. Jahrestag

der Gründung des Deutschen Sportbundes im Dezember 2000 diese

Grundforderung, indem er sagte: "Der Sportunterricht gehört zur

ganzheitlichen Bildung. ... Wer sagt: Schulen ans Netz, der muss auch sagen:

Schüler auf den Sportplatz oder in die Halle oder ins

Schwimmbad."

Ende 1999 führte der Weltrat für Sportwissenschaft und

Leibes-/Körpererziehung (ICSSPE) in Berlin den Weltgipfel zum Schulsport

durch. Dort betonten die Experten aus über 100 Ländern

nachdrücklich, dass der Schulsport das einzige Schulfach ist, das den

Schwerpunkt auf den Körper, auf körperliche Aktivität,

körperliche Entwicklung und Gesundheit legt. Nur mit Hilfe des Schulsports

können alle Kinder an regelmäßige körperliche

Aktivitäten herangeführt werden. Der Weltgipfel schätzte in

seinem Schlussdokument, der "Berlin Agenda for Action" ein, dass

guter Sportunterricht "das wirkungsvollste und

integrationsförderndste Mittel ist, jedem Kind die Fähigkeiten,

Einstellungen, Werte, Kenntnisse sowie das Verständnis zu vermitteln, das

für eine lebenslange Teilnahme an körperlichen Aktivitäten und

am Sport erforderlich ist."

Keine Übertreibungen!

Da und dort höre ich, man solle doch nicht immer übertreiben bei

der Darstellung des Gesundheitszustandes unserer Kinder und bei der

Einschätzung der Situation im Schulsport. Solche Stimmen ignorieren die

sehr bedenklichen Ergebnisse, die in einer zunehmenden Anzahl

wissenschaftlicher Studien zur Gesundheit der Kinder in Deutschland vorgelegt

werden. Es wird festgestellt, dass Bewegungsmangel, falsche, einseitige und

unsinnige Essgewohnheiten, die zunehmende Verbreitung elektronischer Medien,

der immer stärker werdende und gefährdende Verkehr, die Umwelt

insgesamt bei Kindern zu organischen Störungen, zu Übergewicht und

Fettleibigkeit, Koordinationsschwäche, Herz-Kreislauf-Beschwerden und

Haltungsschwächen führen. Diese Faktoren beeinflussen auch die

psychische Befindlichkeit, lösen Bewegungshemmungen, Angst und

Unsicherheit aus, bewirken mangelndes Selbstvertrauen und abweichendes

Sozialverhalten (WIAD-Studie).

Der Schulsport kann, wenn er denn wirklich durchgeführt und in guter

Qualität, interessant für die Kinder, gestaltet wird, ein wirksamer

Faktor gegen solche Tendenzen sein. Der Weltrat für Sportwissenschaft hat

leider in einer auf dem Weltgipfel in Berlin vorgelegten Studie feststellen

müssen, dass sich der Sportunterricht heute in einer gefährdeten

Situation in allen Regionen der Welt befindet. Und dies trifft tatsächlich

auch auf die hochentwickelten Länder, darunter auch Deutschland zu. Wir

wissen um den bedenklichen Zustand mancher Schulsportanlagen auch in unserer

Stadt Berlin, um die teilweise mangelhafte Ausstattung, um den Stundenausfall

im Schulsport, um die Engpässe in der Ausbildung von Sportlehrern

u.v.m.

Also möge niemand abwiegeln, wenn wir energisch das einfordern, was den

Kindern eigentlich als Recht, gesetzlich verbrieft und prinzipiell von der

Politik anerkannt, zusteht.

Ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen?

Berlin ist eine sportbegeisterte Stadt! Das sportliche Klima in dieser Stadt

gibt viele Impulse auch für die Bereiche Bildung und Gesundheit. Die

Breite sportlicher Aktivitäten - hier meine ich sowohl Spitzensport,

Leistungssport, Freizeitsport als auch Sport in den Sportvereinen - ermutigt,

die Anstrengungen auch zur Verbesserung des Schulsports zu verstärken.

Lassen Sie mich das Aktionsbündnis "Eine starke Lobby für Kinder

- Schulen und Sportvereine sind Partner", den MINI-MARATHON beim real,-

BERLIN-MARATHON mit über 5500 Teilnehmern, FUN-RUN beim Halbmarathon, das

AVON-RUNNING für Mädchen, die BAMBINI-Läufe, die Arbeit der

sportbetonten Schulen nur als kleine und unvollständige Auswahl

nennen.

Dies ermuntert auch die Politiker, sich endlich substantiell dieses

Problemkreises anzunehmen. Den Bundespräsidenten zitierte ich bereits.

Hinweisen will ich auch auf eine korrespondierende Erklärung der Sport-

und Kultusminister der Länder sowie des DSB vom Dezember 2000 und

schließlich auf die jüngste gemeinsame Initiative der Fraktionen von

SPD und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, bis April 2001 beim Senat eine

Bestandsanalyse zum Schulsport und einen daraus folgenden

Maßnahmenkatalog in Auftrag zu geben. Das sich entfaltende

Aktionsbündnis von Eltern, Schülern, Lehrern, Medizinern,

Sportwissenschaftlern, Übungsleitern und Sportlern zur Verbesserung des

Schulsports wird aufmerksam diesen Prozess begleiten und seine Forderungen im

Interesse der Kinder und zum Wohle unseres gesamten Gemeinwesens

einbringen.

Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper

Freie Universität Berlin, Präsidentin des Weltrates für

Sportwissenschaft und Leibes-/Körpererziehung (ICSSPE),

Mitglied des Präsidiums des Landessportbundes Berlin