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Die Läufer im Focus der TV-Kameras

Die Läufer im Focus der TV-Kameras

„Von Null auf 42“ hieß die dreiteilige Dokumentation, die

in der ARD zur besten Sendezeit lief. Dabei wurden sieben Kandidaten ein Jahr

lang auf ihrem Weg vom unsportlichen Nichtstun bis zum New York-Marathon

begleitet. Die dreiteilige Doku Soap wurde durch intensive Cross Promotion in

der ARD gepuscht, die Teilnehmer von Talkshow (Beckmann) zu Talkshow (Menschen

der Woche/SWR) geschickt, in einer Wissenschaftssendung wurde mit Bezug auf die

Serie gefragt: Wie gefährlich ist Marathon? Das Bayerische Fernsehen

begleitet seit April acht Läufer auf dem Weg zu ihrem ersten Marathon, den

sie Mitte Oktober in München absolvieren wollen (www.br-online.de). Stern

TV (RTL) hat vier bisher Unsportliche vor der Linse, die in einem halben Jahr

einen 10-km-Lauf schaffen sollten (www.stern.de/tv), und das Schweizer

Fernsehen (SF DRS) imitiert das ARD-Projekt mit vier bisher sportabstinenten

Menschen, die auf den Wien-Marathon 2005 begleitet werden (im Rahmen der

Sendung „Quer“ am 28. Mai). Was ist geschehen, dass die Sender nach

Jahren der Nichtbeachtung die Läufer entdeckt haben?

Läufer im Fernsehen: Von der Ignoranz zum

Dauerthema

Die Erklärung für das Phänomen ist einfach: Laufen ist

mittlerweile so populär, dass dieser Trend auch an den Redaktionsstuben

der Sender nicht weiter unbemerkt vorbei laufen konnte. Beinahe jeder kennt

mittlerweile mindestens einen, der läuft. Kaum eine Party, auf der nicht

jemand Lauferlebnisse zum besten gibt oder seinen Marathontrainingsplan

erklärt. Bis tief in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts

ignorierten die Fernsehsender das Phänomen Laufen noch, so gut es ging,

lediglich der Berlin-Marathon wurde übertragen. In den achtziger Jahren

gerieten TV-Kurzberichte über die damals gerade populär werdenden

Stadtmarathonläufe noch zur Verulkung der Spezies

„Läufer“, die man nicht so ganz ernst nahm, wenn sie nicht

wenigstens nach 2:20 Stunden das Ziel erreichte. Im Bild waren neben den

Siegern vor allem die Exoten am Ende des Feldes, die, oft verkleidet, dadurch

zusätzlich das Image vom „Spinner“ verstärkten.

Marathonläufe brachten außerdem den innerstädtischen

Straßenverkehr zum Stocken und entsprechend geriet auch die

Berichterstattung in den Medien. Der Tenor: Läufer stören. In

Frankfurt musste 1986 gar ein vielversprechend gestarteter Stadtmarathon

abgesagt werden, weil der Hauptsponsor (Hoechst AG) seine Ausgaben von weit

über einer Million DM (inklusive Sach- und Personalleistungen) nicht

einmal in einer minimalen TV-Berichterstattung wiedergespiegelt sah. Bei ARD

und ZDF saß man damals vor allem auf dem hohen Roß, weniger in der

ersten Reihe.

Marathon-Aspiranten, wohin man blickt

Heute sieht dies anders aus : Laufen allenthalben, Marathon-Aspiranten,

wohin man blickt. Völlig Unsportliche müssen es möglichst sein,

Dicke und Übergewichtige, damit das Davor und Danach klarer abbildbar ist,

und, wie die Doku Soap „Von Null auf 42“ zeigte, damit Dramatik

aufkommt, wenn die dicke Anna bei 28 Grad im Schatten im Rahmen eines

Halbmarathons durch Mainz eiert und zu Füßen der

Rettungssanitäter einen kleinen Kollaps erleidet. Die großen Krisen

im Vorbereitungstraining werden episch überhöht, der Marathon selbst

gerät zur Entscheidungsschlacht („In der nächsten Folge wird

einer zur tragischen Figur“). Nun denn, beklagen wir uns nicht. Endlich

erhalten wir die Aufmerksamkeit, die wir verdienen auf unserem Fitnesstrip, den

früher oft nicht einmal die nahe Verwandschaft verstehen wollte.

Laufen ist nicht gleichzusetzen mit Marathon

Diese Doku Soap in der ARD machte zum einen deutlich, dass es so einfach

auch wieder nicht ist, einfach mal einen Marathon zu laufen. Andererseits

leidet durch solche Berichte auch das Image des Laufens, denn Laufen wird hier

gleichgesetzt mit Marathonlaufen. Wer einen Marathon absolviert zählt

aber, bildlich gesprochen, nur zur obersten Spitze des Eisbergs aller

Läufer. In der oberflächlichen Welt, in der wir leben, sind

offensichtlich immer Extreme nötig, damit uns überhaupt etwas

auffällt. Die stillen Freuden, die jemand empfindet, der

regelmäßig durch die Gegend joggt und dabei Elan und Lebensenergie

tankt, lassen sich nun mal nicht so einfach in TV-Bilder umsetzen wie die auf

dem Bildschirm ins Dramatische überhöhte Bewältigung eines

Marathons. Wie es anders geht, vor allem weniger plakativ und polarisierend,

zeigt die Serie im Bayerischen Fernsehen, die bei der Begleitung von acht

Marathon-Kanidaten nicht nur dokumentiert, wie es diesen Menschen in ihrer

Vorbereitung ergeht, sondern darüber hinaus auch Tipps zu allen

möglichen Aspekten des Laufens gibt.

Nur richtig vorbereitet macht es Spaß

Eines sollte in diesem Zusammenhang nämlich nicht unerwähnt

bleiben: Das Geheimnis eines erfolgreich absolvierten Marathons ist immer noch

eine sorgfältige Vorbereitung, denn dann macht es sogar Spaß, 42

Kilometer zu laufen und das Projekt Marathon wird nicht zu einem Leidensweg,

der schon nach 15 Kilometern beginnt, weil man sich ungenügend vorbereitet

hat.

Thomas Steffens Chefredakteur RUNNER´S WORLD