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Der zehnte und der erste Sieg für Kenia

Einmal mehr sorgte der Boston-Marathon für hochdramatische

Zieleinläufe, doch einmal mehr gab es bei dem traditionsreichsten Rennen

über die klassische Distanz von 42,195 km keine Weltklassezeiten. Nach

einem Sprintfinish triumphierte überraschend der 33-jährige Elijah

Lagat (Kenia) in 2:09:47 Stunden vor dem zeitgleichen Äthiopier Gezahenge

Abera sowie dem vermeintlichen Favoriten Moses Tanui (Kenia/2:09:50 Stunden).

Dritter Kenianer war auf Rang vier Ondoro Osoro (2:10:29), der sich damit wie

Lagat und Tanui für den olympischen Marathon qualifiziert haben

dürfte. Während es bei den Männern in Boston bereits den zehnten

kenianischen Sieg in Folge gab, sorgte bei den Frauen überraschend

Catherine Ndereba für den ersten Triumph der Laufnation Nummer eins. Die

27-Jährige beendete die Siegserie der Olympiasiegerin Fatuma Roba und

gewann nach einem überzeugenden Rennen in 2:26:11 Stunden. Ebenso wie

Lagat kassierte sie dafür die Siegprämie von 80.000 Dollar. Für

den kenianischen Verband galt der London-Marathon als Olympiaausscheidung der

Frauen - allerdings nur für die ersten beiden. So ist es durchaus denkbar,

dass neben Tegla Loroupe und Joyce Chepchumba auch Catherine Ndereba für

Sydney nominiert wird.

Fatuma Roba, die es im vergangenen Jahr Uta Pippig nachgemacht hatte und den

Boston-Marathon als zweite Frau dreimal hintereinander gewonnen hatte, musste

sich letztlich nach einem Fotofinish sogar mit Rang drei zufrieden geben. Auf

der Ziellinie fing Irina Bogachewa (Kasachstan) Fatuma Roba noch ab. Beide

wurden zeitgleich in 2:26:27 Stunden gewertet. Es waren bei Männern und

Frauen die engsten Entscheidungen in der Historie des Rennens. Der 104.

Boston-Marathon geht zudem als zweitgrößter in die lange Geschichte

ein. Das Jahr 2000 zog deutlich mehr Läufer als zuletzt zum Startort nach

Hopkinton. 17.813 Athleten hatten gemeldet, 16.127 gingen tatsächlich an

den Start und 15.663 erreichten das Ziel in Boston.

Bei sehr kühlem Wetter mit Temperaturen zwischen etwa 5 und 10 Grad

sowie einem leichten Wind, begann das Männerrennen verhalten. Mit

über 20 Metern Vorsprung erreichte dabei der alleine laufende Japaner

Toshiyuki Sasaki die 5-km-Marke in 15:43 Minuten. Hinter ihm lief die

große Gruppe mit allen Favoriten. Eingeholt wurde der Japaner dann erst

fünf Kilometer später, nachdem auch dieser zweite 5-km-Abschnitt nur

in 15:49 gelaufen worden war. Etwas schneller wurde danach das Rennen, doch die

Zwischenzeiten waren dennoch wenig verheißungsvoll. Ohne Tempomacher war

die Hälfte der Distanz nach 65:42 Minuten zurückgelegt. Der

frühere Sieger des Paris-Marathons, Jackson Kabiga (Kenia), unternahm dann

einen Vorstoß und lief rund fünf Kilometer lang vor dem Feld her.

Das Tempo bestimmten hinter dem am Ende auf Rang 13 einlaufenden Kabiga die

Kenianer, darunter auch der Vorjahressieger Joseph Chebet, der jedoch keine

Rolle spielte, als hinter dem Heartbreak Hill eine Vorentscheidung fiel. Etwa

bei Kilometer 35 (1:48:36) setzten sich drei Läufer ab, die bis zur

Zielgeraden zusammen bleiben sollten: Der zweifache Boston-Sieger Moses Tanui,

der Berlin-Marathon-Sieger von 1997, Elijah Lagat (beide Kenia), sowie der

Äthiopier Gezahenge Abera, der beim Fukuoka-Marathon im vergangenen

Dezember 2:07:54 Stunden gelaufen war. Zunächst sah es so aus, als ob

dieser Gruppe auch noch Ondoro Osoro, der 1998 den Chicago-Marathon in der

damaligen Debüt-Weltbestzeit von 2:06:54 Stunden gewonnen hatte, folgen

könnte. Doch der Kenianer verlor verlor zunehmend den Kontakt zu dem

Trio.

Der 5-km-Abschnitt zwischen 35 und 40 km war mit 14:41 Minuten der mit

Abstand schnellste des gesamten Rennens. Trotzdem waren Tanui, Lagat und Abera

noch zusammen, als das Ziel schon in Sichtweite war. Nachdem ein erster Angriff

Lagats von den anderen beiden abgewehrt worden war, setzte sich

erwartungsgemäß Tanui an die Spitze. "Zu diesem Zeitpunkt

dachte ich, Tanui gewinnt, denn er ist am Ende immer stark. Ich habe um Platz

zwei gekämpft und war überrascht, als ich sah, dass Moses sich vorne

nicht lösen konnte", erzählte Elijah Lagat, der von Platz drei

noch auf Rang eins lief und auf den letzten Metern den Äthiopier hinter

sich ließ. Während Tanui offenbar den Spurt zu früh angezogen

hatte, freute sich Lagat, der ebenso aus dem Fila-Team kommt und zweitweise mit

Tanui trainiert, über seinen Triumph: "Wenn du in Boston gewinnst,

bist du in Kenia ein Held. Wenn du nicht gewinnst, sagst du besser nicht, wann

du wieder nach Hause fährst."

Ähnlich stolz war Catherine Ndereba: "In Kenia werden sie mich

feiern und wissen wollen, wer diese Frau ist, die den Boston-Marathon gewonnen

hat." Die 27-jährige Kenianerin lief ein taktisch ausgezeichnetes

Rennen. Zunächst tauchte sie überhaupt nicht in der Spitzengruppe

auf. "Im letzten Jahr hatte ich mich überschätzt und bin am

Anfang zu schnell losgelaufen. Dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, diesen

Fehler nicht wieder zu machen", sagte Ndereba, die 1999 in den USA

"Straßenläuferin des Jahres" war. Mit drei Boston-Siegen

in den Beinen und dem Wissen, dass die Frauen-Konkurrenz in Boston vor einigen

Jahren schon deutlich stärker gewesen ist, bestimmte Fatuma Roba von

Beginn an das Tempo. Und dieses war im Verhältnis besser als das der

Männer. Nach 17:13 Minuten waren die ersten fünf Kilometer gelaufen.

Roba bildete unter anderen mit Lornah Kiplagat (Kenia) und Anuta Catuna

(Rumänien) eine Führungsgruppe. Während die Kenianerin bald

zurückfiel, gehörten bei der Halbmarathonmarke nach 1:12:15 Stunden

noch drei andere Läuferinnen zur Führungsgruppe: Irina Bogachewa

(Kirgistan), Ai Dongmei (China) und Elana Meyer (Südafrika). Nach der

25-km-Marke (1:25:59) verlor zunächst Elana Meyer, die weiter auf ihren

ersten großen Marathonsieg wartet, den Anschluss, und dann forcierte

Fatuma Roba das Tempo. Bogachewa hielt nicht mehr mit, Dongmei verlor ebenfalls

den Anschluss. Doch nachdem äthiopische Fans Roba schon während des

Laufes gefeiert hatten und dabei verbotenerweise mitgerannt waren, passierte

das überraschende: Fast aus dem Nichts tauchte Catherine Ndereba auf und

heftete sich an die Fersen der überraschten Fatuma Roba. Phasenweise

liefen beide auch nebeneinander. Bei diesem Taktieren wurde das Rennen wieder

langsamer und es schien, als ob Irina Bogachewa noch einmal an das Duo

heranlaufen könnte. Doch Ndereba sah die Gefahr kommen, trat etwa eine

Meile vor dem Ziel an und löste sich sofort von Roba, die tatsächlich

noch von Bogachewa eingeholt wurde. "Ich hatte keine Probleme, aber das

Wetter war ungewohnt - derartige Kälte kenne ich aus Äthiopien

nicht", sagte Fatuma Roba später. Auch der Siegerin war es

offensichtlich kalt: Catherine Ndereba trug noch während der

Pressekonferenz nach dem Rennen eine Pudelmütze.

Ergebnisse:

Männer: 1. Lagat (Ken) 2:09:47, 2. Abera (Eth) 2:09:47, 3. Tanui (Ken)

2:09:50, 4. Osoro (Ken) 2:10:29, 5. Busienei (Ken) 2:11:26, 6. Kagwe (Ken)

2:12:26, 7. Nkete (RSA) 2:12:30, 8. Chebet (Ken) 2:12:39, 9. Ruto (Ken)

2:13:26, 10. Guerra (Ecu) 2:14:18, 11. Cruz (Mex) 2:15:09, 12. Bartoszak (Pol)

2:15:24, 13. Kabiga (Ken) 2:16:13, 14. Fika (RSA) 2:16:27, 15. Maeda (Jpn)

2:17:04, 16. Tarus (Ken) 2:17:09, 17. Kipkemboi (Ken) 2:17:11, 18. Obinata

(Jpn) 2:17:24, 19. Ryjow (Rus) 2:17:38, 20. Assefa (Eth) 2:18:22, 21. Kigure

(Jpn) 2:19:13, 22. Molina (Costa Rica) 2:19:40. Zwischenzeiten: 5 km - 15:43,

10 km - 31:32, 15 km - 46:53, 20 km - 1:02:19, Hälfte - 1:05:42, 25 km -

1:17:38, 30 km - 1:33:17, 35 km - 1:48:36, 40 km - 2:03:17.

Frauen: 1. Ndereba (Ken) 2:26:11, 2. Bogachewa (Kgz) 2:26:27, 3. Roba (Eth)

2:26:27, 4. Catuna (Rom) 2:29:46, 5. Kiplagat (Ken) 2:30:12, 6. Dongmei (Chn)

2:30:18, 7. Ferrara (Ita) 2:30:20, 8. Yingjie (Chn) 2:31:22, 9. Tenorio (Ecu)

2:31:49, 10. Meyer (RSA) 2:32:09, 11. Sultanowa (Rus) 2:32:21, 12. Paradowska

(Pol) 2:33:45, 13. Karlshoj (Den) 2:35:11, 14. Sandell (Fin) 2:35:12, 15.

Pozdnyakova (Ukr) 2:35:43, 16. O'Rourke (Nzl) 2:39:37, 17. Marczyk-Teschner

(Pol) 2:41:57, 18. Trujillo de Rios (USA) 2:42:24, 19. Moon (Nzl) 2:42:41, 20.

Schwartz (USA) 2:44:44, ..., 27. Christine Stief (Rosstal/Ger) 2:49:29.

Zwischenzeiten: 5 km - 17:13, 10 km - ---, 15 km - 51:07, 20 km - 1:08:29,

Hälfte - 1:12:15, 25 km - 1:25:59, 30 km - 1:43:10, 35 km - 2:02:03, 40 km

- 2:18:32.