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42195 Meter - keiner weniger und nur wenige mehr

Die Vermessung einer Strecke ist eine "Doktorarbeit"! Es sieht

eigentlich immer ganz einfach aus: Am Beginn des Laufes steht meistens ein

Transparent mit der Aufschrift" Start" und zum Schluß das Wort

"Ziel".

Dazwischen liegt für die Läufer das wichtigste, wofür sie

trainieren: Die STRECKE!

Die STRECKE muss in einer Zeit durchlaufen werden, wenns geht, in einer

immer schnelleren Zeit.

Die Uhr und die Zeit sind unbestechlich - die STRECKE muss es auch sein.

Dafür gibt es Regeln, wie zu vermessen ist. Wenn eine Strecke zu kurz

ist, dann gibt es, wenn der Lauf vorbei ist, einen Skandal, weil die Zeiten

nicht anerkannt werden. Der Beispiele gibt es viele, ganze berühmte Namen

von Läufen sind darunter.

Ein großes Verdienst kommt der Association of International Marathon

and Road Races (AIMS) zu. Das ist eine Vereinigung der großen

Straßenlaufveranstalter aus aller Welt, die das Messfahren weltweit

vereinheitlicht haben, der Internationale Leichathletik-Verband IAAF hat das

nach jahrelangem Streit anerkannt und auch beim DLV wird jetzt nach dieser

Methode verfahren.

Der BERLIN-MARATHON hat auch dazu beigetragen, daß diese Entwicklung

vorangetrieben wurde. Am 24./25.09.1996 wurde in Berlin ein

Streckenvermessungsseminar unter Leitung von John Disley/London

veranstaltet.

Ein Absolvent dieses Seminars ist Siegfried Menzel, der bei der

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tätig ist und staatlicherseits

für Vermessungen in Berlin zuständig ist. Für die IAAF/AIMS hat

er das höchste Prädikat als "A-Measurer".

Er hat verantwortlich in Berlin die HALBMARATHON Strecke

(Weltjahresbestzeit), den 25 km Lauf und die Weltrekord-Strecke des real,-

BERLIN-MARATHON vermessen.

In einer Millionenstadt wie Berlin eine 42,195 km Strecke fachgerecht zu

vermessen und dabei repräsentative Start- und Zielorte zu finden, ist ein

Meisterwerk der besonderen Art. Die Strecke wird lange vor dem Lauf, mit

Unterstützung der Berliner Polizei vermessen. Dann erfolgt eine Abnahme

durch einen ausländischen Vermessungsspezialisten der IAAF/AIMS, zumeist

John Disley oder Hugh Jones (beide aus London). Das geschieht meistens nachts,

auch mit Hilfe der Polizei, da die Vermessung im laufenden Verkehr - auch im

Gegenverkehr -vorgenommen werden muss.

Ebenso wird verfahren beim Auftragen der berühmten "Blauen

Linie", die die kürzeste Strecke, die ein Läufer

zurücklegt, darstellt. Läufer versuchen immer zu

"schnippeln", d.h. die kürzest mögliche Strecke zu laufen -

das muß der Vermesser im Auge haben und auch so vermessen.

Was so einfach aussieht, nämlich so schnell wie möglich von A nach

B zu kommen, aber vermessungstechnisch genau - ist in einer Großstadt wie

Berlin, ein wahres Kunstwerk.

Dem Vermesser, der dann auch noch Strecken so genau vermißt, daß

auf ihr Rekorde gelaufen werden können, die den offiziellen Regeln

entspricht und dannn sogar dazu noch eine Sightseeingstrecke ist, sei an dieser

Stelle ein Denkmal gesetzt - und ein öffentliches Dankeschön

gesagt.

Genug der Einleitung, hier nun die Kolumne von Siegfried Menzel:

42195 Meter - keiner weniger und nur wenige mehr

Zuerst ist die Idee, dann folgt der Stadtplan. Sehenswürdigkeiten,

wichtige Gebäude, wichtige Plätze und wichtige Straßen werden

markiert, Start- und Zielbereich festgelegt. Es folgen mittels Kartenmessrad

erste Streckenmessungen. Liegt die Strecke annähernd fest, wird sie mit

dem Auto abgefahren und nach der Brauchbarkeit überprüft. Sie muss

sowohl für Läufer, Powerwalker, Rollstuhlfahrer und Inlineskater

gefahrlos zu benutzen sein.

Sind all diese Anforderungen erfüllt, wird die genaue Vermessung

durchgeführt. Straßenläufe werden mit dem Jones Counter

vermessen. Es handelt sich dabei um ein Zählwerk, welches auf der Achse

des Vorderrades eines Fahrrades montiert ist und die Drehzahl des Rades

festhält. Jede Umdrehung wird in 20 oder 24 Counts zerlegt. Da jedes Rad

einen anderen Umfang hat, muss die Größe eines Counts bestimmt

werden. Man benötigt dafür eine mittels elektrooptischem

Entfernungsmesser genau bestimmte Strecke von ca. 600 bis 1000 Meter. Diese

Vergleichsstrecke sollte gefahrlos in beide Richtungen befahrbar sein und sich

in der Nähe von Start und Ziel befinden. Diese Strecke wird nun viermal

abgefahren und dabei am Anfang und Ende der Jones Counter abgelesen. Diesen

Vorgang nennt man kalibrieren.

Dieses Kalibrieren wird vor und nach der eigentlichen Vermessung

durchgeführt, da sich durch Erwärmung der Luft und Änderung des

Luftdruckes der Umfang des Rades und damit der Wert eines Counts

verändert. Das Mittel aller Messungen ergibt den Tageswert, mit dem die

Vermessung des Laufes ausgewertet wird.

Es empfiehlt sich, einen guten elektronischen Tacho am Fahrrad zu haben, den

man nach dem Vorkalibrieren auf den richtigen Umfang des Rades einstellt.

Für die Vermessungsarbeiten auf öffentlichen Straßen sind

ein, besser zwei polizeiliche Sicherungsfahrzeuge unerlässlich. Ein

eigenes Begleitfahrzeug, mit dem der Vermesser per Funk in Verbindung steht,

erleichtert und beschleunigt die Arbeiten enorm. Ablesungen am Jones Counter

und andere Festlegungen werden per Funk durchgegeben und im Begleitfahrzeug

festgehalten. In der Nähe des späteren Startes legt man jetzt eine

eindeutige Messlinie (Nulllinie) fest. Eine Laterne mit Kennnummer und

dazugehörige Grundstücksnummer ist eine hilfreiche Markierung.

An dieser Linie beginnt die Messung. Sie wird auf der sogenannten idealen

Lauflinie durchgeführt. Der Jones Counter wird abgelesen und der

elektronische Tacho auf Null gestellt. Nach ca. 1000 m auf dem Tacho wird an

einem eindeutigen Punkt der Jones Counter abgelesen. Dieser Punkt wird durch

den Straßennamen, eine Grundstücksnummer, ein Hinweis auf eine

kommende oder soeben überquerte Straße, eine Laterne, eine

Lichtsignalanlage oder ähnliches eindeutig festgelegt. So verfährt

man jetzt alle 1000 m, Halbmarathon, 5 Meilenpunkte bis man auf dem

elektronischen Tacho 42195 erreicht hat. Nach der nun erforderlichen

Schlusskalibrierung und dem Ermitteln des Tagesarbeitswertes kann die

Auswertung beginnen.

Für alle am Jones Counter abgelesenen Punkte bekommt man nun einen auf

Null bezogenen Wert in Meter. Nun ergeben sich Korrekturen für alle 1000 m

u. ä. Punkte, aber auch für die Gesamtlänge des Laufes. Diese im

allgemeinen kurzen Strecken werden mittels Messband oder ähnlichem

Gerät wenige Tage vor dem Lauf örtlich vermessen und die sich nun

ergebenden einzelnen Streckenpunkte farblich mit Ziffern oder Buchstaben

gekennzeichnet. Für Start und Ziel fertigt man Skizzen, um für alle

klare Verhältnisse zu schaffen. Ein Gesamtplan mit allen für den Lauf

erforderlichen Punkten ist herzustellen.

Siegfried R. Menzel